Das autonome Nervensystem und die Polyvagaltheorie
Die physiologischen Grundprozesse laufen vollkommen selbstständig – autonom – ab:
Verdauung, wie Speichelfluss, Darmmotilität, Verdauungshormone aus Pankreas, Gallenblase, Sekretin im Darm und Nierenfunktion (Wasserrückresorption), Leberfunktion etc. und Herztätigkeit und Atmung.
Das automome Nervensystem ermöglicht ein harmonisches aufeinander Abstimmen von kardiovaskulären, respiratorischen, digestiven, urologischen und reproduktiven Funktionen.
Die störungsfreie Tätigkeit des ANS sorgt für Lebensqualität, Wohlbefinden und Zufriedenheit. („80% aller Zustände wegen deren ein Arzt aufgesucht wird, sind Störungen des autonomen Nervensystems“ (James Jealous, Arzt, Osteopath))
Stephen Porges erforscht das autonome Nervensystem, dessen Entwicklung im Laufe der Evolution.
Der wichtigste Nerv des parasympathischen Systems ist der Nervus Vagus (der X. Hirnnerv), daher Poly-VAGAL-Theorie.
Steuerung und Regulation erfolgen vom Stammhirn aus.
Es fließen Informationen
- einerseits vom Körperinneren – den Organen der Verdauung, des Herzens, der Atmung, etc. zum Stammhirn (Überwachung des inneren Zustandes)
- andererseits vom Stammhirn zu Erfolgsorganen
Die Polyvagaltheorie beschreibt eine neuronale Hierarchie wirksamer Verteidigungs- bzw. Schutzmechanismen, die uns zum Überleben befähigen.
Es gibt drei klar voneinander abgegrenzte neuronale Schaltkreise, welche 3 unterschiedliche Reaktionsmodi (das Verhalten) steuern.
Beim Empfinden von Sicherheit herrscht Gelassenheit und Wohlbefinden. Wir spüren Frieden, Freude, Ruhe, Leichtigkeit, Weite, Verbundenheit, Mitgefühl, Liebe und wir haben ein angenehmes „Bauchgefühl“. Die Atmung ist frei, geht tief und mühelos, das Herz schlägt ruhig.
Bei Gefahr wird der Sympathikus aktiv. Der Körper wird mobilisiert und die Energiebereitstellung macht ihn fähig zu Kampf oder Flucht. Die Gefäße sind eng, die Hautfarbe blass und die Hände kalt. Die Atemfrequenz ist erhöht. Soziale Interaktion und Kommunikation sind nun unwichtig. Wir sind erregt, empfinden Wut und Angst, sind leicht reizbar. Es kann ein zwanghafter Drang die Gefahrenquelle zu lokalisieren (oder eine solche zu konstruieren) vorliegen.
Nehmen wir an wir wären in Lebensgefahr kommt es zu Immobilisation und Erstarrung. Bekannt als Totstellreflex. Dieser Zustand kann auch bei Fieber, Schmerz oder schwerer Krankheit auftreten. Der Körper schaltet auf Energiekonservierung. Die Atmung ist ganz oberflächlich, der Muskeltonus verringert und die Schmerzschwelle stark hinaufgesetzt (wir spüren kaum Schmerzen). Es kommt zu Dissoziation, einem Gefühl der Leere und Ohnmacht.
Die gute Nachricht: das autonome Nervensystem kann durch Körperwahrnehmung beeinflusst
werden! In der Konzentrativen Bewegungstherapie arbeiten wir mit achtsamer Hinwendung zum Körpererleben.
Weitere Möglichkeiten der Beeinflussung sind Atmung, hören von Musik im Vokalbereich (im Frequenzbereich der menschlichen Stimme), schaukeln, Entspannung von
Gesichts- und Nackenmuskulatur und anderes.